Warum gerade Leichtbau und Elektromobilität zusammengehören

15.05.2020

Die Automobilindustrie durchläuft einen massiven Wandel. Während die weltweite Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren stagniert, wird sich der Anteil von Elektroautos laut Marktstudien bis zum Jahr 2025 verdreifachen. Leichtbau mit Faserverbund ermöglicht mehr Reichweite und bringt viele weitere Vorteile, die gerade für die Elektromobilität wichtig sind.

Sie durchqueren tosende Waldbäche und brettern enge Küstenstraßen entlang, sie meistern Wüsten und erklimmen felsige Berglandschaften: Mit solchen und ähnlichen Bildern bewerben immer mehr Autohersteller ihre vollelektrischen Neuentwicklungen. Statt die E-Autos nur im urbanen Umfeld zu präsentieren, geht es immer öfter aufs Land hinaus, in die wilde und ungezähmte Natur.

Die Botschaft dahinter: Elektromobilität kann auch längere Strecken meistern und macht vor allem Spaß! E-Autos überzeugen längst nicht mehr nur durch Umweltfreundlichkeit, sondern punkten mehr und mehr mit Effizienz, höherer Reichweite, modernster Software und Fahrvergnügen pur. Neben Herausforderern wie Tesla, Byton, Lucid Motors, Canoo und Rivian investieren auch die etablierten Hersteller in den Aus- und Aufbau ihrer elektrischen Modelle.

Verbundmaterialien mit Carbon- und Glasfasern spielen ihre Vorteile in Elektroautos in besonderer Weise aus. Sie reduzieren das Gewicht und sorgen so für mehr Reichweite und Effizienz. Gleichzeitig erhöht ihre Steifigkeit die Sicherheit im Auto. Als weitere Pluspunkte kommen geringe thermische Leitfähigkeit und besondere Brandbeständigkeit hinzu. Das macht das Material besonders für den Einsatz in den Batteriekästen der Elektrofahrzeuge interessant.

Batterien machen E-Autos immer schwerer

Der Grund: Die Batterieeinheit besitzt eines der größten Einsparpotentiale in Sachen Gewicht. Weil sie in Elektrofahrzeugen zu einem der zentralen Bauteile gehört, entscheidet sie maßgeblich über das Gesamtgewicht des Wagens. Verbundwerkstoffe helfen, das Gewicht zu reduzieren und spielen nebenbei ihre Materialvorteile aus. „Herkömmliche Batteriekästen für Elektroautos werden überwiegend aus Aluminium und Stahl gefertigt. Im Vergleich dazu sind Batteriegehäuse aus Composites um rund 40 Prozent leichter“, erläutert Jürgen Joos, Head of Program Management Automotive Materials bei der SGL Carbon.

Maßgeschneiderte Batteriegehäuse für Elektrofahrzeuge

Mit einem Batteriekasten aus faserverstärktem Kunststoff lässt sich viel Gewicht einsparen. Hinzu kommen weitere Vorteile, die durch Composites erreicht werden können, wie beispielsweise ein optimiertes Crashverhalten, ein verbesserter Unterboden- und Brandschutz oder auch eine konstantere Temperatur innerhalb der Batterie.

Batteriegehäuse für Elektroautos

Darüber hinaus bieten Carbon- und Glasfasermaterialien große Vorteile für die Sicherheit. „Sie erhöhen die Steifigkeit und Korrosionsbeständigkeit, erfüllen die Anforderungen an Wasser- und Gasdichtigkeit des Batteriekastens, und verbessern den Brand- und Unterbodenschutz“, so Joos. Außerdem werde die Batterie besser gegen Kälte und Hitze abgeschirmt, sodass bei entsprechender Auslegung sogar komplett auf zusätzliche Kühlsysteme verzichtet werden könne.

Weil der Unterboden und Deckel des Batteriekastens aus flächigen Bauteilen bestehen, lassen sich diese relativ leicht materialeffizient in großen Stückzahlen produzieren. Dank neuer Fertigungsverfahren kann auch die Rahmenstruktur mit neuen Fertigungsverfahren aus Verbundwerkstoff hergestellt werden. „Alles in allem können Batteriekästen aus Verbundwerkstoff in einer Gesamtkostenbetrachtung zukünftig daher ein ähnliches Kostenniveau wie bei Aluminium und Stahl erreichen“, erklärt Joos.

Nur der Leichtbau bietet die Chance, die Gewichtsspirale bei Elektroautos und deren Nachteile zu durchbrechen. Er ist daher bei E-Fahrzeugen von noch größerer Bedeutung als im konventionellen Automobilbau.

Dr. Ulrich W. Schiefer, Geschäftsführer des Mobilitätsentwicklers AtTrack.

Wie wichtig jedes Gramm Gewichtseinsparung gerade in der E-Mobilität ist, weiß Ulrich W. Schiefer, Geschäftsführer des Mobilitätsentwicklers AtTrack. Jedes Kilogramm weniger Gewicht wirke sich positiv auf Energieverbrauch, Verschleiß, Reichweite und Beschleunigung der Elektrofahrzeuge aus, sagt er. Zudem ermögliche weniger Gewicht bei gleicher Reichweite auch den Einbau kleinerer und leichterer Batterien. Dadurch könnten Kosten gespart, Bauraum reduziert und Ladezeiten verkürzt werden. Wissenschaftler der Hochschule München haben ausgerechnet, dass 100 Kilogramm weniger Gewicht die Batteriekosten um bis zu fünf Prozent reduzieren können.

Innovationen im Automobilbau

Verbundwerkstoffe und graphitbasierte Lösungen spielen bei der Entwicklung von modernen Fahrzeugen eine zentrale Rolle. Sie unterstützen neue nachhaltigere Fahrzeugkonzepte, indem sie helfen, Effizienz, Fahrverhalten und Sicherheit von Automobilen zu verbessern. Das Portfolio an Lösungen der SGL Carbon reicht von Strukturbauteilen, Batteriekästen und Federsystemen, über Pumpenkomponenten und Dichtungen bis hin zu Anodenmaterial für Batterien oder Materialien für die Brennstoffzelle.

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„Beim Elektroauto dreht sich die Gewichtsspirale noch schneller als beim Verbrenner“, analysiert Experte Schiefer. Zusätzlich benötigte Leistung lasse sich schließlich nicht durch Optimierungen am Motor, sondern nur durch den Einbau von mehr Batteriezellen erzeugen. So entstehe aber erneut Gewicht, das zu stärkeren und somit schwereren Bremsen, Fahrwerksauslegungen und Reifen führe. Die Spirale drehe sich also weiter. Eine echte Chance diesen Mechanismus zu durchbrechen sieht Schiefer nur im Leichtbau. „Der ist bei E-Fahrzeugen von noch größerer Bedeutung als im konventionellen Automobilbau.“

Eine Branche im Umbruch

Der tiefgreifende Umbruch der Automobilbranche hin zur Elektromobilität wird durch die Corona-Pandemie nicht aufgehalten. Im Gegenteil: In vielen Ländern zeichnen sich schon heute „grüne“ Konjunkturpakete ab. In Deutschland und Frankreich etwa haben die Regierungen die Prämien für den Kauf von Elektrofahrzeugen als Folge der Krise kürzlich erst deutlich erhöht.

Gleichzeitig verändert die Elektrifizierung des Automobilsektors auch die Architekturen der Fahrzeuge. Verbrennungsmotoren fallen weg, stattdessen rückt die großvolumige und schwere Batterie in den Fokus. Deren Platzierung im Zentrum des Fahrzeugs ermöglicht einen weiteren Trend im Automobilbau: die noch konsequentere Nutzung von Plattform-Architekturen, auf die unterschiedliche Fahrzeugmodelle aufsetzen können. Anstatt beispielsweise für einen SUV und einen Transporter zwei Fahrzeuggerüste konstruieren zu müssen, können beide Fahrzeuge auf derselben Plattform aufbauen. Das spart Kosten und Zeit.

Fortschrittliche Fertigungsverfahren und neue Materialien helfen, die Vorzüge solcher Konstruktionen noch weiter zu optimieren. Hier kommt der Leichtbau mit Verbundwerkstoffen erneut ins Spiel, denn mit Composites lässt sich nicht nur leichter und sicherer bauen, sondern auch besonders flexibel konstruieren.

Der Aufschwung der Elektromobilität bedeutet somit große Wachstumspotentiale für die leichten Verbundwerkstoffe. Davon ist Jürgen Joos, Experte der SGL Carbon, überzeugt: „In den neuen Fahrzeugarchitekturen fallen keine Baugruppen mit Fasermaterialien weg. Stattdessen kommt mit der Batterie und ihrem Gehäuse noch eine wichtige Baugruppe hinzu, die vom Leichtbau besonders profitiert“, sagt er.

Die SGL Carbon habe sich bereits auf den steigenden Bedarf eingestellt. Von Vorläuferstoffen über Carbonfasern und Carbongelegen bis zu fertigen Fahrzeugkomponenten werden alle Materialien hergestellt, die für den Leichtbau im Automobilsektor relevant sind. Jürgen Joos prognostiziert: „Wir profitieren von der steigenden Nachfrage nach Composites über die gesamte Wertschöpfungskette.“ 

Kontakt

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Jürgen Joos
Head of Program Management Automotive Materials

Telefon: +49 8271 83-1835
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Christian Schludi SGL Carbon
Christian Schludi
Projektleiter Automotive, Programm Batteriekasten

Telefon: +49 8271 83-1669
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