Wie Graphitöfen die Stromversorgung stabil halten: Lechwerke und SGL Group setzen Idee der energieflexiblen Fabrik um

Auf einen Blick:

  • Staatssekretär Franz Josef Pschierer besichtigt Pilotprojekt
  • FOREnergy Projekt - Perspektiven für Energiemarkt der Zukunft

Große Graphitöfen spielen die zentrale Rolle bei einem gemeinsamen Pilotprojekt der Lechwerke (LEW) und der SGL Group. Ein Teil der stromintensiven Produktion von Graphit-Komponenten am SGL-Standort in Meitingen lässt sich flexibel steuern und damit gezielt zur Stabilisierung des Stromnetzes einsetzen. Diese „Stromnachfrage auf Abruf" vermarkten die Lechwerke als Dienstleistung für SGL Group: LEW stellt die zur Verfügung stehende Flexibilität täglich auf einer Auktionsplattform ein. Als so genannte Minutenreserve dient sie dazu, ein mögliches Überangebot an Strom in den Netzen ausgleichen zu können. Das Vorhalten dieser Kapazitäten vergüten die Betreiber der nationalen Stromübertragungsnetze den Anbietern. Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium, besuchte heute das Werk der SGL Group in Meitingen, um sich über das Pilotprojekt und das Forschungsverbund-Projekt FOREnergy zu informieren.

„Wir wollen unser Energiesystem auf die Basis erneuerbarer Energien umstellen. Das bedeutet fundamentale Veränderungen. Dafür müssen wir etablierte Strukturen und Prozesse in Frage stellen und neue Wege gehen“, sagte Staatssekretär Franz Josef Pschierer bei seinem Besuch in Meitingen. „Das Projekt hier in Meitingen ist ein Beispiel dafür, wie Unternehmen die mit der Energiewende verbundenen Herausforderungen angehen und sie zu zukunftsweisenden Modellen weiter entwickeln.“

Im Meitinger Werk stellt die SGL Group unter anderem Verbindungsteile für Graphitelektroden her, die im Elektrostahl-Recycling eingesetzt werden. Um den hohen Temperaturen in den Lichtbogenöfen standzuhalten, müssen Elektroden und Verbindungsteile bei etwa 3.000 Grad graphitiert werden. Das dauert zwischen einem halben Tag und einer Woche. Das energieintensive Aufheizen der Öfen kann jedoch innerhalb bestimmter Zeitfenster verschoben werden. Diese Flexibilität nutzt die SGL Group nun zusammen mit den Lechwerken.
„Früher hat sich die Erzeugung von Strom in Kraftwerken vor allem nach dem Verbrauch gerichtet. Das ändert sich: Künftig wird dann viel Strom zur Verfügung stehen, wenn Fotovoltaik- und Windkraftanlagen wetterbedingt viel Strom erzeugen. Deshalb sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, den Verbrauch flexibler zu gestalten. Das ist ein wichtiger Baustein für die zukünftige Energieversorgung aus erneuerbaren Energien. In dem Projekt mit SGL Group setzen wir die Idee der energieflexiblen Fabrik in die Praxis um“, sagt LEW-Vorstandsmitglied Norbert Schürmann.

„Hier eröffnen sich für uns interessante Perspektiven“, so Dr. Thomas Müller, der bei SGL Group europaweit für Energiebeschaffung zuständig ist, „Es geht nicht mehr nur darum, den günstigsten Zeitpunkt für die Beschaffung des Stroms an den Börsen zu finden, sondern auch die Flexibilität der Produktion gewinnbringend zu vermarkten. Im Energiesystem der Zukunft lösen sich die tradierten Rollen von Stromlieferant und -verbraucher auf. Beide tragen in Zukunft auch zur Stabilisierung unserer Stromnetze bei.“ Nach dem erfolgreichen Start des Projekts am Standort Meitingen hat die SGL Group das Modell mittlerweile auch am Standort Griesheim eingeführt und prüft derzeit, ob darüber hinaus auch andere Standorte und Produktionsprozesse für das Modell in Frage kommen.

Vermarktet wird die „Stromnachfrage auf Abruf" der Graphitöfen der SGL Group vom Beschaffungsteam der Lechwerke. Die Spezialisten bieten die flexiblen Nachfragekapazitäten auf der bundesweiten Auktionsbörse der Stromnetzbetreiber für die Minutenreserve an. In täglichen Ausschreibungen werden hier von den vier großen deutschen Übertragungsnetzbetreibern die Reservekapazitäten für den Folgetag vergeben. Wer den Zuschlag erhält, verpflichtet sich, seine angebotene Minutenreserve in einem festgelegten Zeitfenster von vier Stunden in Bereitschaft zu halten. Zudem muss er diese bei Abruf durch den Netzbetreiber innerhalb von 15 Minuten aktivieren können. „Im Rahmen eines Qualifizierungsverfahrens mussten wir nachweisen, dass die entsprechende Technik verlässlich funktioniert und auch tatsächlich Produktionsprozesse verschoben werden“, berichtet Thomas Reitemann, Leiter Beschaffung bei LEW. „Erst nach dieser erfolgreichen Präqualifikation konnten wir die Reservekapazitäten auf der Plattform vermarkten.“

Planung und Umsetzung dieses Pilotprojekts ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von SGL Group und LEW im Rahmen des Verbundprojekts FOREnergy. Ziel dieser Innovationskooperation von Wissenschaftlern und Industrieunternehmen ist es, die Idee der energieflexiblen Fabrik in die Praxis zu bringen. Der Freistaat Bayern fördert das Verbundprojekt im Rahmen der Bayerischen Forschungsstiftung mit einem Fördervolumen von 2 Millionen Euro.
Die Lechwerke beteiligen sich bereits seit 2007 an den Auktionen für die so genannte Regelenergie. Ihr Reservepool umfasst dabei sowohl flexible Kapazitäten der Stromnachfrage als auch der Stromlieferung. Mit der SGL Group haben die Lechwerke diese Dienstleistung nun auch auf Industrieprozesse ausgeweitet.

Kontakt

Sie haben Fragen, Ideen oder Anmerkungen? Wir stehen Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

* Pflichtfelder