Was ist Graphit?
Graphit ist eine natürlich vorkommende Modifikation des Kohlenstoffs (chemische Formel: C). Seine Atome ordnen sich in dem für Kohlenstoff typischen Hexagonal-Muster in Form eines Sechsecks an und bilden auf diese Weise ein hexagonales Schichtengitter. Die typische graue Farbe erhält Graphit durch seine undurchsichtigen grauen bis schwarzen Kristalle.
Während der Diamant, eine weitere Kohlenstoff-Modifikation, mit einem Wert von 10 auf der Mohs'schen Härteskala das härteste natürlich vorkommende Material der Welt ist, gehört Graphit mit einem Wert von 1-2 zu einem der weichsten. Die unterschiedlichen Eigenschaften von Graphit und Diamant ergeben sich aus der Struktur:
Struktur und Eigenschaften von Graphit
Graphit hat eine Schichtstruktur. In jeder Schicht ist jedes Kohlenstoffatom an drei weitere gebunden. Daraus ergibt sich ein zweidimensionales Netzwerk aus Sechsecken. Innerhalb jeder Schicht herrschen starke Bindungen, zwischen den verschiedenen Schichten sind die Bindungen jedoch sehr schwach. So können die Schichten leicht gegeneinander verschoben und sogar getrennt werden. Aus diesem Grund ist Graphit sehr weich und wird daher sogar als Schmiermittel benutzt. Graphit hat jedoch noch weitere besondere Eigenschaften:
Elektrische Leitfähigkeit von Graphit
Dass Graphit elektrisch leitfähig ist, ergibt sich aus dem atomaren Aufbau. Jedes Kohlenstoffatom in einem Graphitkristall besitzt vier Valenzelektronen, auch Außenelektronen genannt, die Bindungen mit Nachbaratomen eingehen können. Allerdings gehen jeweils nur drei der vier Valenzelektronen eine Bindung ein, das vierte Elektron bleibt frei beweglich und ermöglicht so die Leitung von Strom.
Thermische Leitfähigkeit von Graphit
Graphit weist eine hervorragende Wärmeleitfähigkeit bei gleichzeitig hoher Temperaturbeständigkeit auf. Graphit hat keinen Schmelzpunkt, so dass Graphit vom festen direkt in den gasförmigen Zustand übergeht. Dieser Prozess wird Sublimation genannt. In Schutzgasatmosphäre wird Graphit ab einer Temperatur von 2500°C plastisch verformbar. Bei Temperaturen von mehr als 3750°C sublimiert Graphit auch ohne die Anwesenheit von Sauerstoff.
Chemische Beständigkeit von Graphit
Graphit zählt zu den chemisch beständigsten Werkstoffen. Er ist beständig gegen nahezu alle Medien der organischen Chemie. Hierzu gehören typischerweise die Zwischen- und/oder Endprodukte in der Petrochemie, Kohleveredelung, Kunststoffindustrie, der Produktion von Lacken, Farben, Kälte- und Frostschutzmittel, aber auch in der Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie.
Auch gegen die meisten anorganischen Medien ist Graphit beständig, beispielsweise gegen nicht-oxidierende Säuren, Laugen, wässrige Salzlösungen und die meisten technischen Gase.
Vorkommen und Herstellung von Graphit
Graphit kommt auf der Erde natürlich vor, kann aber auch synthetisch hergestellt werden. Naturgraphit wird vor allem in China, Indien, Brasilien, Mexiko und der Ukraine sowohl unter als auch über Tage abgebaut. Der Herstellungsprozess von synthetischem Graphit hingegen ist sehr komplex – bietet aber auch zugleich die Möglichkeit, die Eigenschaften von Graphit nach Wunsch zu modifizieren.
Naturgraphit: Das Ausgangsmaterial für flexiblen Graphit
Flexibler Graphit - auch als expandierter Graphit oder Blähgraphit bekannt - wird aus gereinigten Naturgraphitflocken hergestellt. Im Herstellungsprozess wird Naturgraphit mit einer stark oxidierenden Säure gemischt, um Graphiteinlagerungsverbindungen herzustellen. Diese werden durch plötzliche Hitzeeinwirkung expandiert. Das resultierende Produkt, expandierter Graphit genannt, wird mechanisch zu Produkten verdichtet – hauptsächlich zu Graphitfolie. Obwohl sie immer noch die einzigartigen Eigenschaften von Naturgraphit aufweist, z. B. seine ausgezeichnete Leitfähigkeit, ist expandierte Graphitfolie im Gegensatz zum Rohmaterial auch flexibel, weich und leicht zu verarbeiten.
Synthetischer Graphit
Bei der Herstellung von synthetischem Graphit können seine späteren Eigenschaften gezielt beeinflusst werden. Allen voran spielen die Korngröße des Graphitpulvers und die Pressmethode eine wichtige Rolle.
Technisch möglich ist die synthetische Herstellung von Graphit seit Ende des 19. Jahrhunderts. Im Dezember 1895 wurde in den USA ein Patent zur Graphitierung von Kohlenstoffen angemeldet. Der in diesem Herstellungsprozess gewonnene Elektrographit wurde damals als stromübertragendes Element in Form von Elektroden genutzt und so gewann Graphit zunehmend an Bedeutung für verschiedenste Industrien.
Die Basis für synthetischen Graphit bilden zwei Rohstoffe: Ein möglichst reiner Kohlenstoffträger, meist Kohle aus Erdöl, sowie Pech als Bindemittel. Die beiden Rohstoffe werden zu einer homogenen Masse gemischt und in komplexen Hochtemperaturprozessen weiterverarbeitet und veredelt. Je nach gewünschter Eigenschaft und Art des synthetischen Graphits variieren hierbei die Prozesse. Auf diese Weise kann in kürzester Zeit ein Vorgang reproduziert werden, für den die Natur mehrere Millionen Jahre benötigt.
Herstellungsprozess von synthetischem Graphit
Die Herstellprozesse für synthetischen Graphit sind vergleichbar mit dem von keramischen Materialien. Die festen Rohstoffe Koks und Graphit werden gemahlen und in Mischaggregaten mit kohlenstoffhaltigen Bindemitteln wie z. B. Pechen zu einer homogenen Masse vermischt. Daran schließt sich die Formgebung an. Hierfür stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung: isostatisches Pressen, Strangpressen, Vibrationsverdichten oder Gesenkpressen. Die gepressten „grünen“ Formkörper werden im Anschluss unter Sauerstoffausschluss bei etwa 1000 °C gebrannt. Bei diesem Prozess bilden sich Bindemittelbrücken zwischen den Feststoffpartikeln. Die Graphitierung – der zweite thermische Verarbeitungsschritt – wandelt den amorphen Kohlenstoff bei etwa 3000 °C in dreidimensional geordneten Graphit um. Danach erfolgt die mechanische Bearbeitung der graphitierten Formkörper zu komplexen Bauteilen. Optional können diese durch weitere Reinigungsprozesse und Beschichtungsschritte wie z. B. durch eine Siliziumkarbid (SiC)-Beschichtung zusätzlich veredelt werden.
Arten von synthetischem Graphit
Feinkorngraphit
Einige besondere Eigenschaftskombinationen von Graphit können nur erlangt werden, wenn möglichst feinkörnige Feststoffe verwendet werden. Daher wurden die so genannten Feinkorngraphite entwickelt, die durch einen Mahlprozess hergestellt werden. Als Feinkorngraphit wird jener Graphit bezeichnet, dessen Korngröße kleiner als 1 mm ist. Manche Feinkorngraphite haben sogar eine Korngröße von unter 1 µm.
Isostatischer Graphit
Die Bezeichnung "Isostatischer Graphit" steht für isostatisch geformten Graphit. Das bedeutet, dass das Rohmaterialgemisch in einer so genannten Kaltisostatischen Presse (Cold-Isostatic-Press, CIP) zu rechteckigen oder runden Blöcken verdichtet wird. Verglichen mit anderen Techniken wie der Extrusion oder dem Vibrationsformen, kann mit dieser Technologie die isotropste Form von synthetischem Graphit hergestellt werden. Zudem weisen isostatische Graphite im Allgemeinen die kleinsten Korngrößen aller künstlichen Graphite auf.
Heutzutage stellt Iso-Graphit einen großen Teil des Marktes für feinkörnigen Graphit dar und hat Anwendungen in über 30 verschiedenen Industrien gefunden: von nuklearen und metallurgischen Anwendungen bis hin zu Halbleiter-, Solar- und vielen anderen.
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Extrudierter Graphit
Extrudierter Graphit wird im Strangpressverfahren hergestellt. Im Vergleich zu isostatischem Graphit hat er eine gröbere Korngröße und eine geringere Festigkeit, dafür aber eine höhere thermische und elektrische Leitfähigkeit.
Vibrationsverdichteter Graphit
Vibrationsverdichteter Graphit zeichnet sich durch eine homogene Struktur und typischerweise eine mittlere Korngröße aus. Der Werkstoff besitzt ein planar isotropes, d. h. nahezu isotropes Eigenschaftsprofil und kann in sehr großen Formaten hergestellt werden.
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Gesenkgepresster Graphit
Die Werkstoffklasse der gesenkgepressten Kohlenstoffe und Graphite umfasst unterschiedliche Materialien wie amorphen Kohlenstoff, Graphit und den so genannten Kohlegraphit, einen Verbund aus Hartkohlenstoff und Graphit. Diese weisen eine feine bis ultrafeine Körnung auf und können durch den axialen Formgebungsprozess auch eine hohe Anisotropie aufweisen. Aus dieser Werkstoffvielfalt ergeben sich extrem breite Eigenschaftsprofile bezüglich Festigkeit, Reibverhalten und Leitfähigkeit. Es wurden beispielsweise Materialien entwickelt, die spezifische tribologische oder elektrische Eigenschaften aufweisen. Diese lassen sich durch geeignete Imprägnierungen mit Kunstharz, Phosphaten oder Metallen noch steigern.
Im Gegensatz zu den anderen Formgebungsverfahren für Feinkorngraphite kann beim Gesenkpressen auch das hocheffiziente endformnahe Pressen (Pressed-to-Size-Technologie (PTS)) angewandt werden, ein Verfahren, mit dem komplexe Werkstücke in großen Stückzahlen kosteneffizient mit geringem Materialeinsatz hergestellt werden können.
Anwendungsgebiete von Graphit
Die Anwendungsgebiete von Graphit sind vielfältig. Graphit wird für elektronische und elektrische Anwendungen, Metallurgie, der Produktion von Glas und Quarzglas, mechanische und nukleare Anwendungen benötigt – findet sich aber auch in jedem handelsüblichen Bleistift.
Elektronische Anwendungen
Im Bereich der elektronischen Anwendungen kommt synthetischer Graphit hauptsächlich bei der Halbleitertechnik und der Solartechnologie zum Einsatz.
In der Halbleitertechnik werden Feinkorngraphite höchster Reinheit benötigt, beispielsweise als mit Siliziumcarbid (SiC) beschichtete Graphitformteile, die als Suszeptoren für die Silizium-Epitaxie dünner Siliziumscheiben (Wafer) eingesetzt werden. Auch so genannte Einkristall-Ziehanlagen weisen einige Bauteile aus Graphit auf, wie den Graphit-Hohlzylinder, Stütztiegel, Wärmeabschirmung, Stromanschlussstück und Befestigungsteile. Heizelemente aus hochreinen Graphiten werden ebenfalls für die widerstandsbeheizten Öfen in der Halbleiterproduktion benötigt.
Lösungen für die Halbleiter-Industrie
Die Reinheitsanforderungen an den Graphit, der in der Solartechnik verwendet wird, sind deutlich niedriger als in der Halbleitertechnik. Hier kommen verschiedene Graphitformteile zum Einsatz, beispielsweise Graphitplatten und Heizer, aber auch Weichfilze, Hartfilze und Graphitfolien für die Wärmeisolation.
Metallurgie
Eine der bekanntesten Anwendungen von Graphit im Bereich Metallurgie ist wohl der Einsatz von Graphitelektroden bei der Elektrostahlgewinnung und Kathoden für die Elektrolyse von Aluminium. Aber auch beim Stranggießen von Bunt- und Edelmetallen ist synthetischer Graphit als Graphitkokille unersetzlich und ebenso werden hier Schmelz- und Gusstiegel aus Graphit verwendet.
Funkenerosion
Für das Verfahren der Funkenerosion, der Bearbeitung von elektrisch leitenden Materialien, bietet Graphit erhebliche Vorteile gegenüber anderen Werkstoffen. So gelingt es, eine drei- bis fünffach geringere Bearbeitungszeit bei der Elektronenherstellung mit Hochgeschwindigkeitsfräsen zu erreichen, wenn anstelle von Kupfer Graphit als Elektrodenwerkstoff verwendet wird.
Industrieofenbau
Graphitfilze und -folien sowie andere Kohlenstoffmodifikationen werden in Hochtemperaturanlagen vor allem für thermische Isolierungen benötigt. Durch die gute mechanische Bearbeitbarkeit von Graphit ergeben sich hier verschiedene Möglichkeiten für das Ofendesign und die Auslegung des Beheizsystems. Auch Heizelemente aus Graphit finden sich hier. Im Bereich der Härtereitechnik werden neben Heizelementen und Isolierungen aus Spezialgraphit auch Chargenträger aus CFRC (Kohlenstofffaserverstärktem Kohlenstoff) benötigt. In der Sintertechnik, dem Verdichten und Verfestigen von Materialien durch Erhitzen, wird Feinkorngraphit auf Grund seiner elektrischen Leitfähigkeit, Festigkeit und thermischen Beständigkeit in Sinterwerkzeugen verwendet.
Glas- und Quarzherstellung
Bei der Herstellung von Floatglas, Hohlglas, Quarzglas sowie technischem und Laborglas kommt Graphit in Form von Werkzeugen, Formen, Greifern, Fallrohren, Abstreifern, Absetzplatten und Umlenkkurven zum Einsatz. Dafür sind Graphite mit hoher Dichte und niedrigen Porenvolumen und der sich daraus ergebenden hohen Abbrandfestigkeit am besten geeignet.
Mechanische Anwendungen
Für mechanische Anwendungen wie Lagerwerkstoff eignen sich Feinkorngraphite und ihre ungraphitierte Vorstufe besonders aufgrund ihrer Gleit- und Trockenlaufeigenschaften sowie der thermischen und chemischen Beständigkeit. Auch für dynamische Dichtungen werden Kohlenstoffwerkstoffe deswegen häufig eingesetzt.
Elektrische Anwendungen
Bei elektrischen Anwendungen wird Graphit in Form von Kohlebürsten und Schleifstücken verwendet. Synthetischer Feinkorngraphit weist die ideale Kombination von elektrischer Leitfähigkeit, Trockenlaufeigenschaften und mechanischer Festigkeit auf und wird in Form von Bürsten oder Schleifstücken für die Stromübertragung zwischen einem festen und einem rotierenden elektrischen Leiter in Motoren und Generatoren verwendet.
Nukleargraphit
Aufgrund seiner Eigenschaft, Neutronen abzubremsen, wird Graphit auf vielfältige Weise in der Reaktorindustrie verwendet. Beispielsweise als Moderator, Brennelementumhüllung, Reflektor in Schwerwasserreaktoren und Neutronenschild in Brutreaktoren.
Warum heißt der Bleistift nicht Graphitstift?
Bereits seit dem 17. Jahrhundert wird in vielen Ländern der Bleistift verwendet. Damals hielt man den zum Schreiben verwendeten Graphit allerdings noch für Bleierz, woraus fälschlicherweise der Name „Bleistift“ bzw. in seinen frühen Bezeichnungen auch „Reißblei“, „Schreibblei“ oder „Bleiweißstift“ entstand. Der Name Bleistift ist also irreführend, die Mine enthält tatsächlich kein Blei, sondern besteht auch heute noch aus einem Graphit-Ton-Gemisch. Schreiben und Zeichnen lässt sich mit einem Bleistift deswegen so gut, da Graphit auf Oberflächen wie Papier eine graue Ablagerung hinterlässt. Ein Bleistiftstrich ist also nichts anderes als eine dünne Graphitablagerung.